Kontaktabbrüche, Trennungsschmerz oder *LMA*?

Ich erlebe Zeit meines Lebens Kontaktabbrüche.  Wer erlebt die nicht?!

Sei es in der Kindheit der Schulwechsel.

Sei es, weil man sich gestritten und zer-stritten hat und ’spinnefeind‘ wird.

Sei es der Arbeitsplatzwechsel, bei dem man alles hinter sich lässt, was vorher gewohnt war.

Sei es die Beendigung einer Beziehung, egal wie intensiv diese auch gewesen ist.

Wie gehe ich mit diesen Abbrüchen gewohnter Kontakte in meinem mit sozialen Kontakten doch recht spärlich besetzen Leben um? Schwerlich.

Wenn es ‚Freunde‘ sind, die meinen sich alles mögliche herausnehmen zu können, eifersüchtig auf andere Personen reagieren, die diese Beziehung touchieren, was ja vollkommen normal ist, oder plötzlich meinen ‚Ach, das ist doch normal, stell Dich doch nicht so an, das habe ich doch auch alles.‘, dann ist es für mich inzwischen klar und deutlich, dass ich nicht die Konfrontation suche, sondern diesen Kontakt ‚einschlafen‘ lasse. Es sei denn es kommt wirklich zum ‚Knall‘, was auch schon vorgekommen ist, dann verschwinde ich *puff* in meiner Muschel und komme auch nicht mehr heraus.

Bei  Arbeitskollegen ist es leider noch viel ‚einfacher‘: man sieht sich nicht mehr, in meinem Alter ist man auch nicht mehr zwangsläufig über WhatsApp oder sonstwie vernetzt und: ‚Buch zu‘ = keine Kontakte mehr.

Dann gibt es noch die familiären Kontaktabbrüche, die für mich die verstörendsten, verletzendsten, schlimmsten sind. Aber, nur weil man eine Familie ist, bedeutet dies nicht, dass man sich bis zur natürlichen Beendigung auch tatsächlich lieben, achten und verstehen muss.

Ich muss gestehen, dass ich immer schon sehr sensibel war für die einzelnen Persönlichkeitsstrukturen, irgendwie ziehe ich schwierige an. Was nicht bedeutet, dass ich sofort immer gleich ‚reiß aus‘ nehme, wenn mir eine destruktive Persönlichkeitsstruktur begegnet, auch wenn es gesünder für mich wäre. Ich habe das ‚Problem‘, dass ich den Menschen dahinter verstehen möchte. Ich möchte verstehen, warum ein Mensch so geworden ist, ich versuche zu eruieren, wie die Geschichte des Menschen ist. Auch wenn ich vieles qua meines Autismus nicht verstehen kann.

Ich leide. Ich leide furchtbar, wenn ich mal wieder einen Kontaktabbruch  erlebe. Ich bemerke aber auch eine Veränderung bei mir, die ich dem Autismus zuschreibe und meiner schwindenden Kraft destruktives Verhalten für mich, innerlich, zu neutralisieren. Ich fange an schulterzuckend zu akzeptieren, das *lma* Prinzip wie ich es nenne. Und trotzdem arbeitet der Schmerz in mir weiter.

Was ist, wenn es nahestehende Familienangehörige sind, die sich ‚trennen‘? Das ist der worst case. Das schlimmste überhaupt. Und wenn es dann noch eins der eigenen Kinder ist, setzt mein Hirn aus. Aber auch hier setzt inzwischen das Schulterzucken ein, parallel zu diesem zerreißenden Schmerz.

Kinder sind etwas wunderbares und ich liebe alle meine Kinder nahezu abgöttisch, nur darf ich nicht erwarten, dass auch sie mich lieben, respektieren, achten. Sie sind eine Mischung aus Generationen von Persönlichkeiten, die sich in ihrer individuellen DNA wiederfinden. Und nur, weil ich einen kleinen Teil dazu beigetragen habe, heißt es nicht, dass sie auch kompatibel zu mir sein müssen.

Und, nur weil ich Zeit ihres Seins alles getan habe, dass es ihnen gut geht, dass sie ‚wachsen‘ (übertragen, ich meine nicht die körperliche sondern die geistige Größe), dass sie autonom werden, selbst bestimmt und kritisch, bei jeder Krisensituation gesprungen bin, weit über meine eigenen Möglichkeiten, bedeutet es nicht, dass wir bis an unser Lebensende auch verbunden sein müssen.

Dennoch finde ich, dass Kinder ihre Eltern, sofern man ihnen nichts vorwerfen kann, gravierendes, Respekt entgegen bringen sollten, denn nicht sie (die Kinder) haben dafür gesorgt, dass sie ein autonomes Leben leben können, bzw. dass es sie überhaupt gibt, auch wenn sie vorher nicht gefragt wurde. Wie auch?

Manchmal muss man die Trennung des Kindes auch zulassen, weil es eventuell der letzte notwendige Schritt ist, erwachsen zu werden. Weil eventuell die Präsenz der Mutter oder des Vaters Entwicklung verhindert hat. Weil eventuell die Persönlichkeiten immer für massiven Stress sorgen. Nichts desto trotz ist es verdammt schmerzhaft.

Furchtbar traurig ist in vielen Beziehungen, dass manche Menschen keinen Respekt empfinden vor dem anderen. Und sogar dem anderen Respektlosigkeit und mangelnde Achtung unterstellen, nur weil man einmal nicht klein bei gibt und diese Personen dann wie ein zorniges kleines Kind agieren. Was ich auch mir gelegentlich vorwerfen muss, denn wenn mich ein Overload/Meltdown aufgrund derlei Dinge erwischt, dann hakt es in mir aus und ich reagiere nur noch instinktiv abwehrend.

Ich hatte selbst zu meiner Mutter eine Zeit von 3 Jahren keinen Kontakt. Obwohl sie im Haus meiner damaligen Schwiegereltern wohnte, wich ich ihr nahezu 100% aus. Sie war eine Persönlichkeit, die ich nur als sehr krank beschreiben kann, extrem manipulativ und mit erstaunlich vielen ‚Persönlichkeiten‘. Ich konnte ihr leider nicht komplett ausweichen, der Druck von außen war erheblich, außerdem war ich meiner Mutter, trotz ihres destruktiven Verhaltens immer verbunden. Ihr kann ich erheblich viel vorwerfen und habe es glücklicher Weise geschafft, ihr all dies auch auf dem Sterbebett noch zu sagen, so dass wir ‚im reinen‘ auseinander gehen konnten, was ich auch für sie ziemlich wichtig finde, aber in erster Linie war es für mich sehr wichtig.

Wie gehe ich also mit Trennungen um?

Es hängt mit der Tiefe der Gefühle zusammen.

Wenn es ‚alte‘ Beziehungen sind, dann zerreißt es mich innerlich, ich fange aber recht schnell an, inzwischen, zu akzeptieren. Außerdem denke ich ‚jeder muss wissen, was für ihn gut ist‘, ich bin nicht für alles verantwortlich und kann nur begleiten und wer das nicht mehr will: bitte.

Wenn es oberflächliche Beziehungen sind, dann ärgere ich mich eventuell über die ggf. verschenkte Zeit und die gelassenen Nerven, aber es touchiert mich wenig.

Ich sage immer ‚ich bin wie ein Elefant, ich vergesse NICHTS‘, allerdings bin ich nicht nachtragend. Da ich allerdings nichts vergesse hat es eventuell den Eindruck, dass ich nicht verzeihen kann.

Nur weil ich autistisch bin bedeutet es nicht, dass ich keine Gefühle habe, sie nicht zulassen kann oder will. Ganz im Gegenteil! Ich empfinde sehr intensiv, problematisch ist nur, dass ich, wenn ich in der Trauerphase bin, blockiert bin für alles andere um mich herum, nicht mehr schwingungsfähig bin, kaum in der Lage bin, mich auf andere einzulassen, die mir auch wichtig sind.

Ich halte es nicht für erstrebenswert dieses so viel zitierte ‚Autisten haben keine Gefühle, denen ist alles egal‘ zuzulassen, nur gibt es Situationen, nach denen es nicht anders geht. Allerdings ist es überhaupt nicht das, wie es uns im Klischee vorgeworfen wird: ich versuche mich lediglich zu schützen und schalte ab, weil ich die Flut an Gefühlen nicht ertrage, weil ich nicht verstehe warum und wieso es zu einer derartigen Situation gekommen ist, dass ich so empfinde. Das hat nichts mit mangelnder Intelligenz zu tun, sondern rein mit meiner autistischen Hirnstruktur und der somit naturgegebenen Filterschwäche. Und ein weiterer Grund, weswegen ich trauer: ich bin nicht ’normal‘, bin nicht in der Lage wie andere zu reagieren und zu verarbeiten. Ich werde nie dazu gehören.

Ich verstehe, obwohl ich mich seit Dekaden bemühe, Menschen und ihre Intention, nicht.

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2 Gedanken zu “Kontaktabbrüche, Trennungsschmerz oder *LMA*?”

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