Ich habe heute Morgen einen wirklich guten Artikel gelesen, bei dem ich mich allerdings auch gefragt habe, wie er wohl ausgefallen wäre, wenn man ihn in 2018 verfasst hätte.
Der Artikel behandelt die Wechselseitigkeit, fachsprachlich Reziprozität.
Ich fing darauf hin an zu überlegen.
Meine Kinder wurden von mir (2 nicht autistische, 1 autistisches) derart erzogen, dass sie Toleranz von mir vorgelebt bekommen haben, Akzeptanz, Respekt und Achtung vor allem was in irgendeiner Form lebt, sei es der Nachbar, sei es die Maus, sei es der Baum, Strauch, die Blume. Respekt vor dem Wetter, auch wenn es manchmal wirklich schwer fällt, Respekt vor der Zeit, Achtung vor dem Mitmenschen.
Man weiß nie warum und wieso der-die-das so handelt, man schaut nur vor den Kopf.
Ebenso weiß man nicht, warum ein Tier so ist wie es ist, auch wenn sich vieles erklären lässt. Wieso wachsen Blumen und Bäume dort wo sie meinen wachsen zu wollen??
Es ist ein Grundlegender Respekt, eine Achtung vor dem Leben an sich.
Nur, diese Erziehung kann kippen!
Auf Autismus fokussiert muss ich sagen, deutlich meine Meinung und meine Sicht, dass alles was man sich selbst beibringt oder von den Eltern beigebracht bekommen hat (damit meine ich nicht meine eigene Erziehung früher, wenn ich so geblieben wäre: au backe), durch das Verhalten der Gesellschaft beeinflusst wird, verändert wird, zum großen Teil auch ins komplette Gegenteil verkehrt werden kann.
Unser Sohn (wenn ich dies so schreibe, dann meine ich unseren autistischen Sohn), sowie auch ich, mussten erleben, wie tatsächlich asozial die Gesellschaft sein kann.
Sei es Mobbing,
sei es Gehänsel,
sei es dieses abfällige Grinsen wenn man uns sieht,
sei es der zugewandte Rücken sobald man den Raum betritt,
sei es das Unterbrechen, wenn man etwas sagt
sei es das Bashing im www
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unendlich weiterzuführen
Die mögliche Konsequenz ist Rückzug. Aber auch überbordende Kritik an anderen, Ablehnung und Inakzeptanz und Respektlosigkeit.
Genau das ist möglich!
Andere werden zynisch. Noch wieder andere sind am Dauerjammern *mimimimi* und erkennen nicht dieses Grundsatz *jeder ist seines Glückes Schmied*, weil ‚alle anderen am eigenen Unglück Schuld sind‘ (man beachte bitte die Anführungszeichen).
Im Bezug auf Autismus reziprokes Verhalten, bzw. das Gegenteil einseitig und egoman vorauszusetzen, ist leider etwas, was landläufig und gesellschaftlich ein von mir genannter ‚Rain-Man-Effekt‘ ist.
‚Der merkt doch eh nichts‘,
‚die sind doch nur auf sich bezogen‘,
‚Autisten sind Egoisten‘,
‚Autisten sind asozial (ursprüngliche Bedeutung des Wortes!!)‘
Ist es nicht eher so, dass es genau umgekehrt ist??!
Inzwischen wurde es mehr oder weniger bewiesen, dass viele Autisten in Richtung Hypersensibilität gehen, ein extrem hohes Empathie-Vermögen haben, was eine Dauer-Überforderung nach sich zieht, da Autisten nun mal eine erwiesene Filter-Problematik haben = Reize wie Gefühle empfinde ich durchaus, nur kann ich sie nicht instinktiv verstehen, einordnen und regelrecht reagieren. Dafür empfinde ich viel zu viele derartige Reize, so dass der Aufenthalt in einer größeren Gruppe von Menschen eine Flut von Empfindungen bedeutet, Ausstrahlungen wie Glück, Aggressivität, Neutralität, Nervosität, Erschöpfung, etc. nur kann ich nicht instinktiv einordnen warum und wieso. Ich bin auch nicht in der Lage dies alles auszublenden, wie nicht autistische Menschen dies scheinbar können. Es bedeutet für mich persönlich ein erhebliches Maß an Arbeit dieses verstehen wollen und ich frage sehr oft ‚warum???‘. Gelernt habe ich vieles, weil ich durchgängig beobachte, weil ich verstehen WILL, weil es anders ungleich schwerer ist in dieser Gesellschaft zu bestehen. Andererseits: muss ich überhaupt alles verstehen?? Nun, meine Persönlichkeit will das leider.
Nur, und damit bin ich wieder bei mir und unserem Sohn, alle Bemühungen, alle Arbeit, alle Überlegungen, Gespräche, Erklärungen, verpuffen in Angesicht der scheinbaren Gleichgültigkeit und Ablehnung anderer.
Allerdings bin ich inzwischen an einem weiteren Punkt angekommen, wo ich allerdings auch fassungslos bin, denn: ich vermute, diese mangelnde Fähigkeit reziprok mit anderen umgehen zu können hat einen gravierenden Grund: NEID.
Ich denke, unsereiner stößt bei vielen auf Neid, nur warum? OK, wir haben in der Regel ein sehr großes Wissen was Einzelbereiche betrifft, sei es bei mir das kaufmännische Denken (was sich unter Mobbing in nichts verwandelt), das vor 2 Dekaden erlangte medizinische Wissen, was inzwischen deutlich überholt ist, die kreative Natur… nur bitte, was ist der Grund für Neid? Meine Unfähigkeit im Arbeitsleben? Meine Unfähigkeit im Umgang mit anderen? Oder die hohe Frustration unseres Sohnes?
Blödsinn!
Ich denke, ja ich denke viel, also, ich denke, dass das menschliche Miteinander schon einen Schritt einfacher und auch freundlicher wird, wenn man sich schlicht und ergreifend angewöhnt diese winzigen Kleinigkeiten zu genießen und in Gedanken zu lächeln, zu lachen, wegen meiner auch zu grölen vor Lachen (das wäre dann meine Version des dezenten Lachen *zwinker*). Das strahlt aus! Auch wenn man es nur inwendig praktiziert, die komplette Grundhaltung verändert sich, die Wahrnehmung von anderen verändert sich. Weil: auch wenn man grummelig guckt strahlt man etwas positives aus, wenn man sich inwendig gerade krümmt vor lachen! Wobei, schafft man dann überhaupt grummelig zu gucken?? Scheinbar ja, sh. meine Wenigkeit.
Und wenn man etwas positives ausstrahlt, verändert sich auch die Haltung der anderen!
Das ist genau so, wenn man denn mal telefonieren muss, sich aber angewöhnt hat, dies lachend, grinsend zu machen, ohne ununterbrochen zu giggeln versteht sich, die Grundstimmung des ggf. ernsten Telefonats verändert sich in wertschätzend und freundlich. Ganz einfache Übung aus dem Telefonmanagement!
Es ist schwierig. Sicher. Aber ich denke, jeder einzelne kann reziprok agieren und meine autistisch-simple-naive Hoffnung ist, dass sich dadurch auch zumindest in meinem Umfeld die Menschen etwas ändern.
Naja, im Moment bin ich allerdings im Rückzug, weil mich Menschen überhaupt unfassbar anstrengen, trotzdem kann ich wertschätzend sein. Dennoch, der Umgang mit grundsätzlich negativen Menschen, mit Menschen die nichts mehr genießen können, die rein nur noch pessimistisch sind, respektlos, mahnend den Zeigefinger erheben: ich ertrage es nicht mehr. Meine Bereitschaft Respekt und Achtung zu empfinden schwindet. Ich arbeite daran…
Yin Yang, eine uralte Weisheit, bzw. Philosophie, hat durchaus seine Berechtigung!
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Begriffserklärung, sowie der Link zu dem oben erwähnten Artikel: