Zusammenleben AS – NT / NT – AS, funktioniert das überhaupt?

Ich kenne eigentlich keine Beziehung zwischen zwei Autisten, es gibt sie, aber sie sind selten, glaube ich, denke ich, kann ich nicht beweisen.

Ich denke, die ‚Norm‘ ist, dass ein NT auf jemanden stößt, die eine Person mag etwas sonderbar oder auffällig wirken, beide verlieben sich (bestenfalls) und eine Beziehung entsteht, eventuell eine Ehe, eventuell eine Familie.

Ich möchte vorab nochmals darauf hinweisen, dass dies alles meine Ansichten sind, meine Beobachtungen, meine Gefühle, mein Wissen und meine Vermutungen. Ich habe nicht den Anspruch, dass ich ‚absolut‘ und allumfassend die richtige ‚Weltsicht‘ und ‚Wahrheit‘ habe (war mir jetzt mal wichtig…).

Ich selbst habe dies erlebt, ich lebe in 2. Ehe und habe ‚diverse‘ Kinder, autistisch wie nicht-autistisch.

Wenn jemand auf einen Autisten stößt, oder der Autist auf jemanden stößt, der komplett anders ist, anders fühlt, denkt, versteht… sind da nicht zwangsläufig erhebliche Probleme vorprogrammiert?

Nein. Ich denke nicht. Oder eigentlich doch, aber es ist die Frage, wie man dann damit umgeht.

(Und hier kommt das unausweichliche:)
ABER, es hat immer auch etwas damit zu tun, wie der Gegenpart ‚gepolt‘ ist. Wenn man sich dummer Weise (im Sinne von: Kismet, blöd gelaufen, aber das Schicksal wollte das wohl so) an jemanden ‚bindet‘, der keine Toleranz in sich trägt, nicht in der Lage ist mitzudenken, nicht in der Lage ist sich weiter zu entwickeln, und damit meine ich jetzt nicht den Autisten, sondern den Nicht-Autisten, dann wird es schwierig.

In einer Beziehung geht es nicht darum immer Recht zu behalten, es geht nicht darum das man als Einzelperson wichtig ist (ist man, logisch, aber in einer Beziehung geht es um die BEZIEHUNG), es geht nicht darum, dass man als Einzelkämpfer ‚mit dem Kopf durch die Wand‘ alle Entscheidungen fällt. Es geht um dieses ‚gemeinsam‘.

Unter NT’s, ich kann da nur meine Beobachtungen zu Rate ziehen, scheint es so zu sein, dass beide irgendwie autonom Entscheidungen fällen, mal zusammen, mal alleine, manchmal gibt es Stress, weil der andere seinen Willen partout durchsetzen will, oder weil der andere die Zahnpastatube offen hat liegen lassen, die Schuhe nicht ordentlich im Schuhschrank stehen, Unterhosen im Schlafzimmer auf dem Boden liegen… Klischeeee.. oder doch nicht?

Wie ist das dann in einer ‚Mischbeziehung‘? Nicht viel anders, oder? Nunja…

Diese kleinen und unwichtigen Kriegsschauplätze gibt es auch in einer NT-AS Beziehung, allerdings möchte ich behaupten, dass diese Nichtigkeiten dann doch eher vom NT ausgehen, weil der AS wirklich andere Probleme und Präferenzen hat (es sei denn, die Zahnpastatube gehört unmittelbar in den AS Bereich, was bei mir definitiv nicht der Fall ist, sondern eher die ‚falsch‘ aufgehängte Toilettenpapierrolle 😉 , aber das ist individuell).

In meiner ersten Ehe wusste ich noch nichts von meinem Autismus. Mir war bewusst, dass ich anders bin, schon lange, zumal es mir auch immer wieder ‚auf die Nase gebunden worden ist‘ (RW), von meinen Eltern, die mir mein Anderssein mit dem Rohrstock ausprügeln wollten (hat irgendwie nicht funktioniert…), von meinem ersten Ehemann, der mir immer wieder vermittelt hat, wie blöd und unfähig ich doch bin, dass ich niemals teamfähig wäre (da hatte er sonderbarer Weise Recht)….

Ich kam mir vor wie der letzte Abschaum. Die Befürchtung, dass ich psychisch krank sei, ich wusste es ja nicht, woher auch, die üblichen Psychosen und Beeinträchtigungen kannte ich aus Beobachtungen und den Büchern die ich las… ich hatte die Angst und das Bewusstsein, dass mit mir etwas nicht stimmt, nur habe ich mich nicht getraut zu einem Arzt zu gehen, zu welchen denn überhaupt? Zum Neurologen? PANIK. Zu einem Psychiater? UUUH, neee, bitte nicht, das hatte ich doch schon wegen der Depressionen und ich will nicht offiziell verrückt sein…. Ergo: ich habe die Zähne zusammengebissenen und versucht mich irgendwie in diesem so sonderbaren Leben zu arrangieren, habe versucht diese destruktiven Äußerungen zu überleben, das destruktive Verhalten…

Ich habe es geschafft, aber die Narben trage ich bis heute.

Meine zweite Ehe, und ich hatte mir wirklich vorgenommen: nie wieder, ich lasse nie wieder jemanden so nah an mich heran, physisch wie psychisch…., war von Anfang an anders.

Ich denke, es hat etwas mit der ursprünglichen Intelligenz zu tun, wenn eine derarte Beziehung funktioniert. Mit ursprünglicher Intelligenz meine ich das instinktive Wissen, was richtig und was falsch ist, wie geht man mit anderen um…

Natürlich haben wir auch Probleme, wer hat die nicht… Und ich bin auch regelmäßig furchtbar genervt, wenn ich AS mal wieder erklären muss. Und ich habe manchmal das Gefühl, dass ich das alles jemandem erkläre, der irgendwie ein schwarzes Loch im Kopf hat, weil das was ich gestern erklärt habe, kann ich heute womöglich noch zweimal erklären… aber es geht auch um den Respekt und die Achtung, die man mir oder unserem Sohn entgegenbringt. Und das habe ich in meiner ersten Ehe nie erleben dürfen (ok, da war auch noch kein autistisches Kind dabei..).

Ich denke, dass eine Beziehung zwischen einem Autisten und einem Nicht-Autisten durchaus funktionieren kann. Allerdings bedeutet es ein nicht unerhebliches Maß an Arbeit, was nicht wirklich alle heute noch bereit sind zu leisten. Es bedarf unendlicher Verständnis, Toleranz, Liebe, Bereitschaft jeden Tag aufs neue Neues zu lernen, denken um 1000 Ecken und wahnsinnig viel Langmut.

Ich denke ebenfalls, dass der Partner eines Autisten sein komplettes Weltbild revidieren muss, denn die Weltsicht eines Autisten ist so viel anders. (Und der jeweilige Autist ist ebenfalls gefragt, dies zu akzeptieren, denn der Partner kann eben auch nicht ‚aus seiner Haut‘ (RW))

Der Partner eines Autisten muss im Grunde genommen viele Rollen spielen: die des Seelsorgers, die des Therapeuten, die des Freundes, Support ist jeden Tag aufs Neue gefragt, Toleranz, Gleichmut, manchmal auch die Rolle des anderen zu übernehmen, weil der Autist gerade nicht in der Lage ist.. es bedeutet Unmengen an Flexibilität. Man muss im Prinzip die fehlende Flexibilität des Autisten ausgleichen… Und das kann nicht jeder.

Der Autist hat das Problem, dass ihm/ihr, dies alles oftmals bewusst ist, er/sie aber nicht gegen die eigene Natur handeln kann. Dies zu ertragen, dass der Partner oftmals auch noch die eigenen Aufgaben mit übernimmt, ist nicht leicht. Ich denke, es funktioniert, wenn die Selbstakzeptanz greift, welche aber auch jeden Tag aufs neue gemischt wird.

Oder die Gesprächssituation.. Wie oft verstumme ich, weil ich nicht aussprechen kann/darf und mein ‚roter Faden‘ verabschiedet sich, oder wie oft bleibe ich sprachlos zurück, weil eine, meiner Auffassung nach, ausgesprochene Dummheit oder Frechheit artikuliert wurde. Dieses Verstummen, oder ein NT würde eventuell sagen ’sich aus dem Gespräch entfernen und verweigern‘, ist sicherlich auch nicht leicht zu verstehen oder zu akzeptieren.

Das Zusammenleben ist definitiv nicht einfach, aber es kann funktionieren. Wenn beide sich deutlich machen, dass man nur zusammen agieren kann. Mal der eine mehr, mal der andere mehr. Wenn Respekt vor dem anderen gelebt wird und Toleranz, wenn es denn mal nicht funktioniert und da ein schaukelndes Etwas in der Ecke hockt….

Ich lebe das, erlebe das. Und bin verdammt dankbar.

Auch wenn ich mir manchmal, nein, oft, wünsche, dass mein Mann dieses ’schwarze Loch‘ in seinem Kopf stopft und endlich behält, was ich ihm schon gefühlte 1000 Mal erklärt habe.

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