Wie ist das mit dem ‚verzeihen‘?

Ich zerlege mir Wörter jedes Mal, wenn ich den Sinn und auch den Ursprung dahinter erkennen möchte, in diesem Fall ‚verzeihen‘ finde ich nicht wirklich etwas, was mich zufrieden stellt. Der Inhalt und Sinn des Begriffs ist mir aber durchaus verständlich

Menschen können und sollten verzeihen. Das ist soweit richtig.
Menschen sollten aber niemals gezwungen werden zu verzeihen, da dies eine innere Regung ist, bzw. eine sein sollte, die von jedem einzelnen bewusst ausgeübt wird, da man sonst keinen Nutzen daraus ziehen kann und dieses ‚Verzeihen‘ kein tatsächliches und ehrliches ist = es ist ‚Augenwischerei‘ und kommt nicht wirklich in einem selbst an.

Wie ist das aber, wenn man Autist/Autistin (ich bleibe im folgenden bei Autistin, weil ich eben Autistin bin) ist?
Kann man als Autistin tatsächlich verzeihen?
Verliert man sämtliche Erinnerungen, Flashbacks, die ein Verzeihen notwendig machen? Kann man später mit diesen Erinnerungen und Flashbacks umgehen, sofern sie bestehen bleiben? Klar bleiben sie bestehen, aber ich meine die ‚Wirksamkeit‘, den Trigger, dieser Ereignisse.

Es ist schwierig.

Gerade wenn man selbst ein eher zurückgezogenes Leben führt, mitbekommt, wie sich immer mehr ‚Spreu vom Weizen‘ löst, was hier von mir nicht werten in gut vs. böse gemeint ist, fängt man an nachzudenken, ob es nicht Sinn macht, erlittene Verletzungen, erhebliche Verletzungen, psychisch ziemlich heftige Dinge, zu verzeihen, um den Weg auf eine andere Beziehungsebene zu öffnen.

Nur, kann man das als Autistin?

Es ist noch immer schwierig. Verdammt schwierig.

Die Trigger bleiben nämlich. Jedes einzelne Erlebnis bleibt wie ein sorgsam gehüteter Schatz irgendwo in den Gehirnwindungen stecken. Auch wenn man diesen ‚Schatz‘ als etwas ungutes, nahezu verdorbenes, erkannt hat, er bleibt.

Frau, gerade die autistische Frau, bleibt misstrauisch, ob denn nicht doch wieder irgendwann, genau derlei Verhaltensmuster zu Tage treten, die schon einmal zu massiven Irritationen und Verletzungen geführt haben. Auf beiden Seiten.

Ich bin naiv.
Ich glaube an das gute in jedem einzelnen Menschen, auch wenn ich einige nur als verdorben und kaputt bezeichnen kann, trotzdem glaube ich an den positiven Funken in jedem einzelnen.

Was mich extrem angreifbar macht. Wie geschrieben: naiv

Ich merke aber, dass ich mit einigen Zuständen in meinem Leben nicht mehr klar komme, und dass es an der Zeit ist, als erwachsene, autistische, Frau, mich auch dementsprechend äußerlich zu verhalten und aktiv zu verzeihen. Äußerlich deswegen, weil nicht alles immer nur innerlich stattfindet. Äußerlich deswegen, weil in diesem Prozess von aktivem Verzeihen auch meine tatsächliche und sichtbare Initiative notwendig wird.
Es geht nämlich nicht nur darum, dass ich für mich klar habe ‚ich verzeihe Dir!‘, ich muss es auch ‚transportieren‘, mitteilen, öffnen.

Und genau DAS ist erheblich schwer für mich.

Und genau DA bin ich wieder am Anfang meiner persönlichen Fragestellung: Kann ich tatsächlich verzeihen, ohne mich von den gemachten Erfahrungen in die sprichwörtlichen Knie zwingen zu lassen, mit der Erwartungshaltung ‚es passiert doch so wie so genau so wieder‘, was dann definitiv eine selbst-erfüllende Prophezeiung werden würde.

Es bleibt schwierig.

Ich denke, es hängt mit dem Charakter der Person zusammen, der ich verzeihen sollte.
Es gibt Menschen in meinem Umfeld, die beißen verbal zu, sobald sich die Chance des Zubeißens ergibt, sinnbildlich nicht real, nur warum?
Es gibt Menschen in meinem Umfeld, die sind egoistisch, intolerant, ignorant, auch hier: warum?
Aber hier suche ich immer nach dem Grund dieser Wesensarten. Einiges habe ich inzwischen für mich aufgedeckt, erklärt, anderes verbleibt im Dunkel und ich hoffe, dass ich irgendwann dahinter komme.

Dann die vielfältigen Erfahrungen jeglicher Art im www, die für mich früher nahezu existentiell waren, mich in erhebliche Krisen gestürzt haben.
Hier sehe ich inzwischen ein, dass ich Menschen, die es nicht verdient hatten/haben, viel zu viel Macht über mich eingeräumt habe und somit überhaupt erst ermöglicht habe, dass ich schwer verletzt ‚in der Ecke lag‘.
Auch hier: warum interagieren Menschen so? Dazu habe ich inzwischen durch vielzählige Gespräche mit anderen ‚betroffenen‘ und ‚un-betroffenen‘ eine für mich gangbare Erklärung gefunden: zum einen wieder der Charakter der jeweiligen Person, zum anderen ein oftmals komplett übersteigertes Geltungsbedürfnis, sowie gewisse Profilierungsneurosen. Diese Klassifizierung steht mir qua Berufsstand, sowie auch dem nicht vorhandenen ‚persönlich, real, kennen‘, nicht zu, ich erlaube es mit hier und jetzt einfach. Ist dreist, ja, aber warum darf ich nicht auch mal dreist sein?

Verzeihen können. Ich denke, man zeigt damit auch etwas von seiner persönlichen -und hoffentlich vorhandenen, was ich bei dem einen oder der anderen doch leider anzweifeln muss- inneren Größe. Zum einen vergibt man sich nichts, zu sagen und auch tatsächlich zu fühlen ‚Ich verzeihe‘, das hat nichts altes, oder konservatives, oder verstaubtes, es ist ein normaler menschlicher Impuls um das Zusammenleben in irgendeiner Form überhaupt erst möglich zu machen.
Wenn man denn das überhaupt möchte.

Verzeihen ist im übrigen für die eigene seelische und körperliche Gesundheit erheblich wichtig. Denn es gibt so viele Beispiele für Menschen, die dies nicht konnten oder wollten, auf ihrem Recht der eigenen Wahrheit bestanden haben und letztendlich jämmerlich und einsam ihr Leben gefristet haben. > sehe ich nicht als erstrebenswert für mich an.

Und da ich an den Akt der Nächstenliebe glaube, werde ich es versuchen, wirklich ernsthaft versuchen, denn ich habe genug von der Trauer, den Flashbacks, den Magenschmerzen und den Albträumen, sowie den furchtbar vielen inneren wie äußeren Tränen.

Nennt mich naiv, ich nenne es Liebe.

Warum Verzeihen so wichtig ist – und wie es dir gelingt. Ein Artikel der ze-tt

Wem du unbedingt verzeihen solltest. Ein Artikel aus einem Traumablog.

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